Cumartesi, Eylül 30, 2006

»Wie kurz vor dem Bürgerkrieg«

»Wie kurz vor dem Bürgerkrieg«

Vor den Wahlen in Bosnien-Herzegowina wachsen die Spannungen zwischen den Volksgruppen
Von Jürgen Elsässer
http://www.jungewelt.de/2006/09-30/039.php

Bosnien-Herzegowina erinnere in diesen Wochen »stark an die Atmosphäre kurz vor Ausbruch des dreijährigen Bürgerkrieges (1992–1995), zitierte die Wiener Tageszeitung Die Presse diese Woche nicht näher genannte »Menschenrechtler«. Die damaligen Kämpfe zwischen den Serben auf der einen und den zumeist verbündeten Kroaten und Moslems aus der anderen Seite hatten zwischen 60000 und 100000 Opfer gefordert. Im Friedensschluß von Dayton (November 1995) mußten die Serben auf einen Teil ihrer Siedlungsgebiete verzichten, bekamen andererseits eine eigene »Entität« im Rahmen des Gesamtstaates zugestanden, die Republika Srpska. Seither ist Bos­nien-Herzegowina nur auf dem Papier ein souveräner Staat. Alle wesentlichen Entscheidungen werden von einem internationalen Hochkommissar getroffen. Seit Jahresanfang hat der Deutsche Christian Schwarz-Schilling (CDU) das Amt inne.Doch nach den Dayton-Vereinbarungen soll die Bevormundung des Staates zum Ende dieses Jahres auslaufen und das Büro des Hochkommissars geschlossen werden. Die Wahlen am kommenden Sonntag wären demnach die letzten unter Aufsicht. Ziel der ­NATO-Staaten ist es, eine Verfassungsreform auf den Weg zu bringen, die die Institutionen des Gesamtstaates stärkt und diejenigen der Republika Srpska schwächt. Doch diese von Schwarz-Schilling oktroyierte Lösung fand Ende April im Parlament keine Mehrheit. Den meisten serbischen Abgeordneten ging sie zu weit, einigen Moslems nicht weit genug.Kompliziert wird die Situation, weil Bosnien-Herzegowina nur ein Teil des balkanischen Mobile ist, das in diesem Jahr wieder kräftig zu schwingen begonnen hat. Angesichts der per Referendum vollzogenen Abspaltung Montenegros von Serbien Ende Mai und der in den nächsten Monaten zu erwartenden Proklamation des Kosovo als selbstständiger Staat fragen sich die bosnischen Serben, warum man nicht auch ihnen das Recht auf Loslösung zugestehe. Milorad Dodik, der Premier der Republika Srpska, machte mehrfach entsprechende Äußerungen, und unter eine Petition für einen Volksentscheid sollen schon 50000 Unterschriften gesammelt worden sein. Schwarz-Schilling drohte daraufhin Dodik mit Amtsenthebung, der moslemische Vorsitzende des Staatspräsi­diums, Sulejman Tihic, sagte den Serben, sie könnten »sonstwohin gehen«, wenn es ihnen in Bosnien nicht gefalle. Nach den Meinungsumfragen werden unter den Serben die Unabhängigen Sozialdemokraten Dodiks (SNSD) von Premier Dodik erstmals stärkste Kraft werden, unter den Muslimen zum ersten Mal die Partei für Bosnien-Herzegowina (SBiH) von Ex-Premier Haris Silajdzic. Die traditionellen Führungsparteien, die von Radovan Karadzic gegründete SDS und die von Alija Izetbegovic gegründete SDA, würden nur auf dem jeweils zweiten Platz landen. Das Pikante daran: Trotz der Sezessionsrhetorik Dodiks unterstützt die SNDS die Verfassungsreform Schwarz-Schillings, während der angeblich gemäßigte Silajdzic sie ablehnt. Zünglein an der Waage könnten die kroatischen Abgeordneten werden. Deren Monopolpartei, die chauvinistische HDZ, ist dieses Jahr in mehrere Teile zerfallen. Der bosnische Knoten wird also auch nach dem Urnengang am Sonntag kaum leichter zu entwirren sein.

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