Pazartesi, Ocak 01, 2007

Punktgewinne für die serbische Seite

Punktgewinne für die serbische Seite
2006 im Rückblick. Heute: Kosovo. Unterstützung für Belgrad aus Moskau. USA spielen albanische Karte
Von Jürgen Elsässer


Überraschende Mandatsverlängerung: UN-Chefunterhändler Martti Ahtisaari (links, bei Verhandlungen im August in Pristina) bleibt vorerst im Kosovo

Bis Mitte Oktober des nun zu Ende gegangenen Jahres 2006 schienen sich die Dinge auf dem Balkan für den Westen nach Plan zu entwickeln: In Wien begannen im Februar die sogenannten Endstatusgespräche für das Kosovo mit dem erklärten Vorsatz der NATO-Mächte, daß an deren Ende, spätestens zu Beginn des Jahres 2007, die staatliche Unabhängigkeit der Provinz zu stehen habe. Am 11. März verstarb in einer Haager Gefängniszelle der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic, an dessen unbeugsamer Haltung sich bis dato immer der serbische Widerstand gegen eine solche Lösung kristallisiert hatte. Hinweise auf eine Vergiftung des Angeklagten erregten die Öffentlichkeit nur kurzzeitig. Ende April verfügte die Europäische Union ein Einfrieren der Assoziierungsgespräche mit Serbien unter dem Vorwand, daß der als Kriegsverbrecher gesuchte bosnisch-serbische General Ratko Mladic nicht ausgeliefert wurde – was den internationalen Rückhalt der Regierung des demokratisch-konservativen Premiers Vojislav Kostunica weiter verminderte. Am 21. Mai beschloß Montenegro per Referendum den Austritt aus dem Staatenbund mit Serbien – zahlreiche Hinweise auf drastische Manipulationen blieben unberücksichtigt. Anfang September fuhren die Separatistenparteien bei der ersten Wahl im unabhängigen Montenegro einen überzeugenden Sieg ein – die proserbischen Parteien stürzten ab. Anfang Oktober verlor beim Urnengang in Bosnien-Herzegowina die Partei der serbischen Hardliner, die Serbische Demokratische Partei (SDS), ihre Spitzenstellung, und die für den Westen berechenbaren Sozialdemokraten übernahmen die Regierung.
Wende im OktoberMit den Serben, so mochte es dem Westen scheinen, konnte man alles machen. Überheblich verkündete der Finne Martti Ahtisaari im September, daß er seinen Job als UN-Chefunterhändler für das Kosovo zum Jahresende aufgeben werde: Eine einvernehmliche Lösung sei nicht zu finden, da Belgrad – im Unterschied zu Pristina – jedes Entgegenkommen verweigere. Allgemein war erwartet worden, daß Ahtisaari dem Sicherheitsrat die Empfehlung geben würde, den renitenten Serben eine Lösung aufzuzwingen. Diese Sichtweise spiegelt sich etwa in einem Dossier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), einem der wichtigsten Think-tanks der Merkel-Regierung, ebenfalls vom September 2006 wider, wonach die Unabhängigkeit des Kosovo »spätestens im ersten Vierteljahr 2007« eine ausgemachte Sache sei. Wenn Belgrad dem nicht zustimmt, werde »man« versuchen, »eine von außen bestimmte Lösung durchzusetzen«. Am 19. Oktober kam die Wende: Der Sicherheitsrat verlängerte das Mandat von Ahtisaari plötzlich um ein halbes Jahr. Mit anderen Worten: Bis Ende Juni 2007 wird sich am Status des Kosovo nichts ändern. Ende November auf dem NATO-Gipfel in Riga erzielte Belgrad dann den nächsten Punktgewinn: Der Nordatlantikpakt beschloß, den einstigen Schurkenstaat ohne weitere Vorleistungen – etwa die Auslieferung von Mladic – in sein Partnerschaftsprogramm aufzunehmen. Damit garantiere die NATO selbst die territoriale Unverletzlichkeit Serbiens inklusive Kosovo, frohlockte Premier Kostunica anschließend. Was war geschehen? Zum einen hatte Kostunica die Zugehörigkeit des Kosovo zu Serbien Ende Oktober durch eine Volksabstimmung bestätigen lassen. Formal war es darin um eine neue Verfassung gegangen, aber der Kosovo-Passus in der Präambel hatte den Diskurs im Land dominiert. Die lebhafte Debatte um das Plebiszit ab Ende September und das klare Ergebnis errichteten für den Westen, der sich gern auf Demokratie und Selbstbestimmung beruft, ein unübersehbares Stopsignal. Hätte er dieses überfahren, hätte er damit rechnen müssen, daß die derzeitige Regierung in Belgrad gestürzt und die NATO-feindliche Radikale Partei (SRS) nach den künftigen Parlamentswahlen am 21. Januar 2007 den Premier stellen wird. Noch wichtiger war, daß Rußland die slawischen Brüder dieses Mal ausnahmsweise nicht im Stich gelassen hat. Präsident Wladimir Putin machte mehrfach und unmißverständlich klar, daß es einer Unabhängigkeit des Kosovo in der UNO nicht zustimmen wird. Der russische Staatschef warnt vor einem gefährlicher Präzedenzfall für das Völkerrecht. Zwar sind nach der Auflösung der Sowjetunion (1991) bzw. des sozialistischen Jugoslawien (1992) eine ganze Reihe neuer Staaten entstanden – aber dabei handelte es sich auschließlich um frühere Teilrepubliken. Das Kosovo dagegen hatte nie diesen Status, sondern war immer nur eine untergeordnete Verwaltungseinheit Serbiens gewesen. Würde aus der Provinz Kosovo ein selbständiger Staat, so könnten Provinzen wie Transnistrien (in Moldawien), Abchasien (in Georgien), Tschetschenien (in Rußland), das Baskenland (in Frankreich und Spanien) und viele andere mehr auf das Beispiel berufen.
Warnung vor AlleingangFalls Rußland bei seinem Njet im Sicherheitsrat bleibt, könnte die albanische Regierung im Kosovo einseitig die Eigenstaatlichkeit der Provinz deklarieren. Dies könnte im folgenden zur Spaltung von NATO und EU führen, wie der FDP-Bundestagsabgeordnete Rainer Stinner Mitte Dezember ausführte. »Es gibt Anzeichen, daß die Vereinigten Staaten eine einseitige Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen würden. Bei den EU-Staaten gibt es unterschiedliche Positionen. Neben Ländern, die eine schnelle Unabhängigkeit bevorzugen, gibt es auch Länder, die aufgrund eigener Probleme mit Minderheiten einer Unabhängigkeit skeptisch gegenüberstehen. Es besteht hier die Gefahr, daß die EU zu keiner gemeinsamen Außenpolitik kommt. Für das Kosovo, aber auch für die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik und auch für das Verhältnis zwischen EU und den Vereinigten Staaten könnte ein solcher Zustand verheerend sein. Eine einseitige Unabhängigkeitserklärung durch kosovarische Institutionen wäre ein klarer Bruch der UN-Resolution 1244. Dagegen müßte die KFOR eigentlich vorgehen, etwa indem sie die führenden Politiker des Kosovos festnimmt. Gleichzeitig würde diese Resolution jedoch auch von den Staaten gebrochen, die das Kosovo anerkennen. Da sich darunter vermutlich auch bedeutende KFOR-Truppensteller befinden, wäre KFOR als Machtfaktor zerrissen. (...) Letztlich könnte im Kosovo das politische, militärische und auch wirtschaftliche Chaos ausbrechen. Für die EU wäre die Anerkennung eines unabhängigen Kosovo durch einige Länder und die Nichtanerkennung durch andere Länder eine politische Bankrotterklärung.«

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